Globalisierung 1.0 oder wozu die Basler Mission gegründet wurde

1815 gegründet ist die Basler Mission eine der ältesten evangelischen Missionsgesellschaften Europas. Im Hintergrund des Projektes „Mission“ stand die protestantische Bewegung der „Pietisten“. Sie traten für ein tätiges Christentum ein.

Was genau wollten die Pietisten?

Ein christlicher Glaube ohne spürbare praktische Konsequenzen ist tot.

Veränderung lag seit 1750 im Trend der Zeit. Überall in Mitteleuropa gründeten aufgeklärte Menschen in den Städten «Gesellschaften». Sie traten für tiefgreifende Veränderungen in der traditionellen Gesellschaft ein. Für sie zeigte sich in der Geschichte und ihren Fortschritt deutlich, dass die Menschheit immer «vernüftiger» – und humaner – wurde. Um diese Entwicklung aktiv zu unterstützen, gründeten sie Institutionen zur sozialen Verbesserung: Waisenhäuser, Schulen, Ausbildungsstätten – gerade für die Ärmeren und auch für Frauen. Es ging ihnen darum, das Los der unteren Schichten zu verbessern. Doch sie taten das bloss für «ihre» Stadt und Region. Ihr soziales Verantwortungsgefühl blieb lokal begrenzt.

Auch für die Pietisten musste der christliche Glaube eine weltverändernde Tat bewirken (lateinisch «praxis pietatis», daher ihr Name: «Pietisten»). Für diesen Reform-Flügel des europäischen Christentums durfte sich der Glaube nicht in der Tatsache erschöpfen, dass man zwar getauft, aber dabei bloss ein untätiges der Mitglied Staatskirche war. Diese war damals für alle Bürger:innen verbindlich.

Die Pietisten waren der Überzeugung, echtes Christsein erfordere ein tätiges Engagement für eine bessere Welt. Ihre ganze Sorge und ihr aktives Wirken galt dem «Reich Gottes und seiner Gerechtigkeit» (Matthäus 6.66), an dessen Kommen sie glaubten. Es war für sie verbunden mit einer diesseitigen, weltlichen Verbesserung.

So organisierten sich auch die Pietisten in «Gesellschaften», und gründeten soziale Institutionen. Sie verstanden sich als aufgeklärte und zugleich religiöse Menschen. (Die Geschichtsforschung bezeichnet sie deshalb als «Fromme Aufklärung».) Sie legten also ebenfalls den Fokus auf Veränderung der Gesellschaft, auf Fortschritte im Bereich der Humanität. Gesellschaftliche Fortschritte wurden als Zeichen des Reiches Gottes verstanden –  mehr Gerechtigkeit, weniger Gewalt und Leid, mehr Anteil an Wohlstand, mehr Bildung und mehr Gleichstellung, denn alle Menschen sind vor Gott Brüder und Schwestern, die als Sünder alle der Gnade Gottes bedürfen.

Oft arbeiteten die Pietisten mit aufgeklärten Bürgern, die ihr Zentrum nicht im Glauben, sondern der Philosophie sahen, dennoch eng zusammen. So wirkten in Basel zum Beispiel Bürger zugleich in der durch die Aufklärung geprägten «Gesellschaft für das Gute und Gemeinnützige» Isaak Iselins mit und engagierten sich in den Kreisen, die eine pietistische Missionsgesellschaft gründen wollten.

Als pietistische Christen waren sie aber der Überzeugung, dass der Fortschritt der Welt nicht allein lokal gesucht werden durfte. Das Reich Gottes, so ihr Leitbegriff für die menschliche Entwicklung, durfte man nur als globalen Begriff verstehen: Entweder kommt es überall – oder nirgends.

So setzten sich die Pietisten einerseits für soziale Verbesserung und Kampf gegen Elend und Leid in ihrer europäischen Heimatgebieten ein. Sie gründeten deshalb in den Städten eine Fülle von sozialen Institutionen. Sie träumten andererseits aber davon, solche Werke der sozialen Veränderung als Engagement für das Reich Gottes auch in anderen Weltregionen anzufangen. Kurz: Auch in Afrika, Indien und China wollten sie einheimische Menschen für eine Verbesserung der Lebensumstände vor Ort gewinnen und befähigen.

In dieser Weise gründeten sie die Basler Mission 1815 als erstes pietistisches Missionswerk dieser Art auf dem Kontinent. Sie wird sich von da an überall in ihren Tätigkeitsgebieten engagiert für eine Verbesserung der Lebensumstände der Bevölkerung einsetzen. Mehr Menschen sollten damit gerechten Anteil an einem guten Leben erhalten – Kennzeichen der zunehmenden Gottesherrschaft.

Für diese engagierte Arbeit wollte die Basler Mission einheimische Menschen in Afrika und Asien gewinnen, ausbilden und befähigen. Dazu bildete sie ab 1816 in ihrem Seminar Missionr:innen aus.

1820 sandte die Basler Mission ihre ersten Studienabgänger nach Armenien und bis Persien. Dort eröffneten sie die ersten Missionsstationen.

Erste eigene Tätigkeit im Kaukasus und in Persien

Die frühe Basler Mission im Kaukasus, am Kaspischen Meer und in Persien

Zuerst bildete die Basler Mission junge Männer für den Einsatz in englischen und niederländischen Missionsgesellschaften aus. Einige zogen auf eigene Faust aus.

Nach 1820 sandte die Basler Mission dann ihre Studienabgänger über Kontakte zu Deutschen Aussiedlern im Kaukasus nach Armenien, bis ans Kaspische Meer und nach Persien. Dort eröffneten sie ein Netz von Missionsstationen.

Ihre Arbeit umfasste soziale Hilfsarbeit unter christlichen Armeniern – vor allem in Schulen und mit Druckereien für Schulmaterial und für religiöse Literatur. Damit wollten sie die christlichen Armenier befähigen, die islamische Bevölkerung, die in diesen Regionen mit ihnen lebte, auf eine für diese verständliche Art mit dem Christentum in Kontakt zu bringen. Diese Tätigkeit versandete aber nach etwa 15 Jahren.

Eigentlich wollte die Basler Mission in Afrika tätig werden. Das konnte sie 1827 kurz in Liberia und von 1828 an der Goldküste (Ghana)/Afrika verwirklichen. Die Pioniergenerationen zahlten aber einen hohen Blutzoll, die meisten starben an Tropenkrankheiten.

Die Tätigkeit in Ghana wurde erst nach 1842 nachhaltig. Unterdessen waren auch Stationen in Südindien (1834) eröffnet worden. 1846 nahm die Basler Mission von Hongkong aus ihre Arbeit in Südchina auf. Später dann Kamerun, Indonesien, Nigeria, Malaysia, Südamerika.

Weshalb Afrika und Asien und mit welchem Aufbauziel?

Die Welt rückt in der Globalisierung des 19. Jahrhunderts zusammen.

Im späten 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts begannen breite Schichten in Europa, die weite Welt anders wahrzunehmen.

Es war die Zeit der grossen ersten systematischen Globalisierung. Mehr Menschen reisten mit Schiffen und auf geordneten Reiserouten in alle Kontinente. Dort verdichteten sich die Wege ins Innere. Diese Menschen schrieben über ihre Erlebnisse und Erkenntnisse. Die Welt – Asien, Afrika – war nahe an Europa gerückt. Das waren nicht mehr sagenhafte ferne Welten, sondern Gebiete einer Welt, die man zu sich in Bezug setzte.

Viele Menschen in den Städten und Dörfern wurden dabei zu «Lehnstuhl-Reisenden»: sie lasen oder hörten von fernen Ländern, von den Lebensumständen dort. Sie lernten fremden Lebensumstände kennen, vernahmen auch von Elend und Not – und vom grausamen Sklavenhandel aus West-Afrika.

Hier liegt der Grund, weshalb die Gründer der Basler Mission nach Afrika wollten. Auch das erste Ziel von 1815 ist auf diese Region ausgerichtet.: die Basler Mission will dort das «Evangelium des Friedens verkünden». Am Ausgangspunkt des Sklavenhandels in Westafrika wollte man gegen Gewalt und Ausbeutung wirken.

Damit wollte man ein Stück Widergutmachung für die Gräuel des Sklavenhandels leisten, der ja von geldgierigen Europäern aus gesteuert wurde. Mit dem menschenverachtenden Handel von schwarzen Sklaven aus Westafrika in die Karibik bzw. die amerikanischen Kolonien und mit Kolonialwaren zurück in französische Atlantikhäfen verdienten europäische Christen, auch aus der Schweiz, viel Geld.

Die Basler Mission wollte die Afrikaner mit einem anderen Christentum konfrontieren: eines, das Frieden und Leben brachte, nicht Gewalt und Tod.

Darum verfolgten sie ein zweites Ziel: die Verbreitung einer «wohlthätigen Civilisation». In heutigem Deutsch: sie wollten in ihrem Wirkungsgebiet eine Zivilsation fördern, welche allen Einheimischen – nicht bloss den Christen – eine Wohltat darstellte, Wohlstand brachte.

So bildeten die Missionar:innen aus dem Basler «Dreiecksland», also aus der alemannischen Schweiz, Baden und Württemberg sowie dem Elsass, auf ihren Missionsstationen einheimische Menschen aus. Dies geschah in Schulen, Handwerksstätten, Ausbildungszentren für Frauen. Die Arbeit umfasste auch Ausbildung in der Schlüsseltechnologie des frühen 19. Jahrhunderts: im Landbau, der dank wissenschaftlicher Agrikulturmethoden im Ertrag vervielfacht wurde. Die Methoden wurden auf einheimische Pflanzen angewendet.

So hatten die Missionsstationen Experimentiergärten, bald auch für einheimische Heilpflanzen gegen Tropenkrankheiten. Nicht vergebens liegt im Zentrum des Areals des Basler Missionshauses ein grosser Garten. Er diente der praktischen Ausbildung der Missionar:innen in Landwirtschaftsmethoden.

Es gibt ein gutes Beispiel für den Erfolg dieser Tätigkeit: Seit 1840 versuchten Basler Missionare in Ghana, die in Südamerika heimische Kakaopflanze unter afrikanischen Bedingungen zu züchten. Ein ghanaischer Missionsschüler trug wesentlich dazu bei, dass der Kakaobaum dann in Ghana heimisch wurde. Kakao ist heute ein wichtiges Exportgut dieses Landes. Diese Frucht der Missionstätigkeit rettete im Ersten Weltkrieg zusätzlich noch die junge Schweizer Schokoladeindustrie. Die Schweiz war damals von Kakaolieferungen abgeschnitten. Dank den Verbindungen über die Basler Mission nach Ghana konnte sie weiter die nötigen Kakaobohnen beziehen.

Ergänzend zu diesen Tätigkeiten der frühen Basler Mission kamen gegen Ende des 19. Jahrhunderts dann medizinische Basishilfe, der Aufbau von Missionsspitälern dazu. Bereits die ersten Basler Missionar:innen erhielten eine rudimentäre tropenmedizinische Ausbildung.

Ein Beispiel für die Nachhaltigkeit dieser Arbeit: Das modernen, heute staatliche Hightech-Spital in der südchinesischen Stadt Meixian (Provinz Guangdong) feiert mit einem Museum seine Wurzeln im Spital der dortigen Basler Mission. Sie wollen das erste Spitalgebäude, das während der Erweiterung im späten 20. Jahrhundert abgerissen wurde, zur Erinnerung wieder aufbauen. So bringen sie die in China wichtige Dankbarkeit gegenüber den «Vorfahren», der Gründergeneration, zum Ausdruck. Dort begannen nämlich kurz vor 1900 Tropenmediziner aus Basel, die Pest sowie andere Seuchen und Krankheiten systematisch zu bekämpften und Menschen zu operieren. Dieses Spital hat übrigens seit der Gründung ergänzend eine Abteilung, die mit Methoden der Traditionellen Chinesischer Medizin arbeitet. Bereits die Missionsärzte arbeiteten zusammen mit einheimischen Ärzten und Apothekern.

„Mission“ hat heute oft einen negativen Beigeschmack. Der Begriff wird verbunden mit weltanschaulichem Zwang. Oft wird der Mission unterstellt, dass sie Druck angewendet habe – oder alles zum eigenen Nutzen geschah. Dadurch sieht man in Missionswerken den üblen Versuch, anderen Völkern eine europäische Religion und Kultur aufzuzwingen –um ihre Seelen zu retten.

Wie versteht die Basler Mission seit 1815 "ihre Mission"?

Basler Mission: Die einheimische Bevölkerung verstehen, Hilfe zur Selbsthilfe

Die Basler Missionare wollten die einheimischen Menschen verstehen, um ihnen zu helfen.

Dazu trieben sie akribisch Sprachstudien, erfassten mündliche Sprachen zum ersten Mal in Schriftzeichen und erkundeten deren Grammatik. Sie machten ethnologischen Forschungen und erfassten eine Gegend geografisch. Sie studierten als frühe Soziologen die sozialen Regeln und Schichtungen der Gesellschaft. Denn sie wollten das Christentum nachhaltig verankern, es verständlich und überzeugend darlegen.

Die Basler Mission wollte lokale Gesellschaften zu ihrem Besten verändern. Dazu brauchte es Kenntnisse der lokalen Situation und gesellschaftlichen Regeln. Wirklich überzeugte einheimische Christen sollten so zu Katalysatoren und Trägern der Reich-Gottes-Entwicklung im jeweiligen Missionsgebiet werden. Mit solchem Tun würden sie ihrer sozialen Umwelt Reich-Gottes-Qualität verleihen.

Im Sinn dieser Ziele hat die Basler Mission nicht mit Druck oder Zwang missioniert. Die Zahlen der Christen in den lokalen Gemeinschaften stiegen – wie die alten Statistiken im Archiv zeigen -, bloss langsam. Die Pietisten der Basler Mission wussten aus Europa: Es bringt nichts, eine grosse Zahl von oberflächlichen Christen zu gewinnen.

Dennoch waren die Menschen, die sich in der Basler Mission engagierten, Kinder ihrer Zeit. Sie handelten aus ihrem Denken, ihren Möglichkeiten.

Manche meinen heute, sie hätten besser und klüger gehandelt – und alles richtig gemacht… Wirklich? Wie werden Nachfahren einst unsere Handlungen einmal beurteilen?

Die Herausforderungen, vor denen jede Generation steht, sind für diese schwieriger als für die, die nach ihnen kommen. Spätere Generationen, welche die Ergebnisse von Entscheidungen und Entwicklungen kennen, wissen mehr.

Wie die Dokumente im Archiv zeigen, waren die Exponent:innen der Basler Mission verantwortungsvoll und entschieden sorgfältig. Sie haben um manche umstrittene Entscheidung gerungen und die Möglichkeiten kritisch gegeneinander abgewogen. Wie auch wir das angesichts der Herausforderungen tun. Sie waren oft nicht alle derselben Meinung, wie man am besten vorgehen sollte. Sie hielten sich auch oft nicht an Entscheidungen aus Basel, die ihnen im lokalen Kontext falsch schienen.

Wer die Basler Mission aus ihren Zeitumständen versteht, darf mit Recht sagen: sie war 1815 die Erfinderin dessen, was man dann später Entwicklungshilfe nannte und was heute Entwicklungszusammenarbeit heisst. Vorher gab es nichts dergleichen!

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Kontakt

Basler Mission
Evangelische Missionsgesellschaft in Basel
Missionsstrasse 21
CH-4009 Basel